Rückblick - Hypatia bei den Berliner Energietagen 2017
Sichtbarkeit von Frauen im Energiesektor
Ausgehend vom diesjährigen Managerinnen-Barometer diskutierten wir auf unserer Veranstaltung „Frauen an die Front: Sichtbarkeit von Frauen in der Energieweirtschaft und –poiltik“ gemeinsam mit unseren Gästen über den Gender Gap in den Führungsriegen deutscher Unternehmen, Verbände und Organisationen und darüber wie es gelingt, diesen zu überwinden.
Vorgestellt hat uns ihn die Autorin, Prof. Dr. Elke Holst vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung, höchstpersönlich. Sie untersucht den Anteil von Frauen in Führungspositionen seit nunmehr 10 Jahren und begibt sich auf Ursachenanalyse nach den Gründen der Unterrepräsentanz von Frauen. Ihr Credo lautet dabei stets: „Zahlen und Fakten versachlichen die Diskussion um mehr Geschlechtergerechtigkeit.“
Die Ergebnisse ihrer Forschung geben Aufschluss darüber, wie stark Geschlechterstereotype und tradierte maskuline Denkweisen und Werte die Wahrscheinlichkeit, dass Frauen in Führungspositionen gelangen, schmälern. Einer der Gründe für die ungleichen Chancen zwischen den Geschlechtern liegt auf der Hand: Karriere zu machen ist maßgeblich davon abhängig in Vollzeit zu arbeiten und Überstunden zu machen. Für Frauen, die sich zusätzlich zum Beruf der Betreuung von Familienangehörigen widmen, undenkbar. Aber ohne Vollzeitbeschäftigung keine Karriereperspektive. Um tatsächlich eine Vereinbarung von Beruf und Familie herzustellen, müssen also die Voraussetzungen stimmen. Dazu gehören gemäß Frau Holsts Empfehlungen im Idealfall drei Dinge: der richtige Partner, der seine Frau unterstützt, eine zuverlässige Kinderbetreuung und mehr Souveränität und flexible Arbeitszeiten im Job. Um letzteres zu erreichen, ist dringend ein Wandel der Unternehmenskultur notwendig für mehr Akzeptanz dafür, wenn sich Mütter oder Väter dazu entscheiden in Eltern- oder Teilzeit zu gehen, ohne aber deswegen auf Karrieremöglichkeiten verzichten zu müssen.
Sie selbst hat immer gemacht, was sie will. Verschiedene Tätigkeiten in Wirtschaft und Wissenschaft ausgeübt, wie auch eine Bar in Guatemala geschmissen – wann hat man auch mal die Gelegenheit dazu? Um aber in der oberen Liga mitmischen zu dürfen, sind gemäß Frau Holsts Erfahrungen nach Mentoren und Mentorinnen wichtig, die einen in die Spielregeln des Business einweihen. Solange kein institutioneller Wandel einsetzt, welcher Stereotype angeht und die historische Geschlechterordnung revidiert, bleibt der strategische Gebrauch dieses Insiderwissens einer der wenigen Wege für Frauen ins nächste Level. Was wissen wir eigentlich über Frauen im Beruf? Sie sind definitiv motiviert im Rahmen ihres beruflichen Schaffens etwas zu verändern und ihre Ressourcen für eine sinnvolle Tätigkeit produktiv einzusetzen. Sie übernehmen gern die Verantwortung, streben aber seltener nach Führung, Geld und Macht. Letzteres übernehmen gern ihre männlichen Kollegen und profitieren so von größeren Gestaltungs- und Entscheidungsspielräumen sowie finanzieller Sicherheit. Schaffen es Frauen doch in Führungspositionen zu gelangen, stehen sie im Vergleich zu ihren männlichen Kollegen unter besonderem Druck. Denn sie sind Leuchttürme. Wenn eine von ihnen einen Fehler macht, heißt es schnell, dass Frauen im Allgemeinen ungeeignet wären um Führungsaufgaben zu übernehmen. Bei den männlichen Kollegen fallen Fehler hingegen viel seltener auf.
Was sagen die Fakten des diesjährigen Managerinnen-Barometers? Die Einführung der Geschlechterquote in Aufsichtsräten zeigt erste Wirkung. Die gestiegene Dynamik sei allerdings nicht in allen Unternehmensgruppen gleichermaßen zu verzeichnen. Während der Frauenanteil in 60% der Dax 30-Unternehmen auf 30% gestiegen ist, liegt der Frauenanteil an Führungspositionen innerhalb der Energiewirtschaft bei 24,7%. Die öffentlichen Beteiligungsunternehmen fallen in der Studie beachtlich zurück, obwohl von den öffentlichen Unternehmen Vorbildcharakter zu erwarten wäre. Auch in den Spitzengremien des Finanzsektors sind Frauen mit einem Anteil von unter 10% bei Banken und Versicherungen weiterhin in der Minderheit, obwohl sie die Mehrheit der Beschäftigten stellen. Dass der Frauenanteil in den Vorständen deutlich geringer ausfällt, überrascht wenig. Schließlich ist das Leitungsorgan von Unternehmen und Organisationen von der Geschlechterquote ausgenommen. Während die Dax 30-Unternehmen immerhin noch auf einen Frauenanteil von 11% im Vorstand klettern, bleibt dieser in den Vorständen der Tec-Dax Unternehmen mit erschreckenden 3,7% zurück. Die Erwartung, dass die Geschlechterquote und die gute Ausbildung von Frauen dazu führten, dass sie automatisch auch in Führungspositionen aufstiegen, bleibt mehr als unerfüllt. Bemerkenswert ist auch, dass der Frauenanteil bei Erreichen der Geschlechterquote stagniert. Offensichtlich haben Unternehmen keinen Anreiz, Frauen in ihren eigenen Reihen zu fördern, wenn sie nicht müssen. Damit schneiden sich Unternehmen aber selbst ins Fleisch. Denn gerade die Formulierung konkreter Ziele zur Erreichung von mehr Geschlechtergerechtigkeit und deren effektive Umsetzung erhöhen die Attraktivität von Unternehmen im Wettbewerb um hochqualifizierte Talente, résumiert Prof. Dr. Holst.
Wie es um die Gleichberechtigung in der Politik steht, hat uns die energiepolitische Sprecherin von Bündnis 90/Die Grünen, MdB Dr. Julia Verlinden, vorgestellt. Erfreulich ist, dass der durchschnittliche Frauenanteil im Bundestag immerhin bei 36,5% liegt - Tendenz steigend. Im Vergleich dazu haben Kommunen erheblichen Nachholbedarf. Der Frauenanteil an Oberbürgermeisterinnen liegt bei lediglich 8,2% im bundesweiten Durchschnitt. Schaut man in die Energiepolitik lässt sich feststellen, dass von insgesamt 16 EnergieministerInnenposten auf Landesebene 6 mit Frauen besetzt sind. Das macht einen Frauenanteil von 37,5%. Bei den großen Parteien zeigt sich allerdings ein anderes Bild: Dort war der Posten des energiepolitischen Sprechers/der energiepolitischen Sprecherin der Bundestagsfraktionen von CDU/CSU und SPD bisher noch nie mit einer Frau besetzt, anders als bei den Grünen. Spärlich sieht es auch in der Gründerszene aus. Es gründen nicht nur weniger Frauen als Männer, die wenigen, die es dann tun, sind kaum auffindbar. MdB Julia Verlinden spricht da aus eigener Erfahrung, als sie lange nach Speakerinnen aus der Start Up-Branche für ein Fachgespräch im Bundestag suchte. In der Geschlechterungleichheit sieht sie eine Vergeudung wertvollen Potenzials. Denn „wenn Frauen mitentscheiden, ist (Energie-)Politik erfolgreicher genau wie Diversity in Unternehmen“. Für die erfolgreiche Transformation der Energiesysteme empfiehlt sie daher die Energiewende in Bürgerhand und eine höhere Beteiligung von Frauen. Zudem wünscht sie sich eine stärkere Repräsentanz von Frauen in der Kommunalpolitik. Hiervon würde u.a. das Verkehrswesen von vielseitigen Ideen und Lösungsansätzen profitieren.
Einen persönlichen Einblick in ihren Karriereweg gab uns Frau Dr. Kathrin Goldammer, Expertin für Energiewirtschaft und -technik und neue Geschäftsführerin des Reiner Lemoine Instituts. Frau Dr. Goldammer hat eine geradlinige Karriere hingelegt, wie sie selbst sagt. In Elektrotechnik studiert, in Physik promoviert war sie zunächst in der Energiewirtschaft tätig, bis sie in die Wissenschaft wechselte. Berufliche Entscheidungen hat sie strategisch gefällt und „sich bewusst verschiedene Anzüge angezogen“. Gerade die Mischung aus zielorientierter Haltung, Anpassungsfähigkeit und Selbstbewusstsein hat sie in ihre aktuelle Führungsposition gebracht und ermöglicht es ihr heute denjenigen Anzug zu tragen, der optimal passt. Sie beweist, dass es geht, Karriere zu machen, ohne auf Familie zu verzichten. Da auch ihr Mann beruflich stark eingespannt ist, kümmert sich hauptsächlich das Au-Pair um ihre beiden kleinen Kinder. Wenig Familienzeit zu haben, ist wohl der Preis für eine erfolgreiche Karriere. Doch den Entscheidungsspielraum, den sie als Führungspersönlichkeit innehat, möchte sie nicht mehr missen, da dieser ihre berufliche Entfaltung fördert und die entsprechende Flexibilität und finanzielle Sicherheit bietet, die sie zur Vereinbarkeit von Karriere und Familie braucht. Ihre These lautet: „Es lohnt sich Chefin zu sein, auch für die Work-Life-Balance.“
Als Vertreterin der jüngeren Generation hat uns Hannah Helmke, Geschäftsführerin von Right. Based on Science offen und ehrlich ihren Weg zur Gründung des Unternehmens geschildert und uns darüber hinaus in die Herausforderungen ihrer Generation in der heutigen Gesellschaft eingeweiht. Frau Helmke beobachtet, wie das lineare Denken der Industrie- und Konsumgesellschaft zu großer Unsicherheit bei den jüngeren Generationen führe, die vor der Entscheidung stehen, einen beruflichen Lebensweg auszuwählen und damit überfordert zu sein scheinen. Doch dazu zu stehen, dass man mal keine Antwort auf die Fragen hat: Was will ich eigentlich? Wo soll es hingehen - beruflich und privat? eröffne ihrer Erfahrung nach neue Räume und Möglichkeiten. Daher hält sie Unsicherheit für eine wertvolle Ressource. Denn sich verletzlich zu zeigen, die Maske fallen zu lassen, erzeuge wahre, stabile Beziehungen und ermögliche authentisches Leadership und damit eine Unternehmenskultur, die von gegenseitiger Achtung geprägt ist. Zu lernen mit der uns umgebenden Komplexität umzugehen, die Zusammenhänge zu durchschauen und selbstbewusst seinen Weg zu gehen, indem man für seine Werte einsteht, erachtet Hannah Helmke als große Fähigkeit. Wie also einen Beitrag zu einer gerechteren Welt leisten? Während Stefanie Groll, Referentin für Ökologie und Nachhaltigkeit bei der HBS, die Name & Shame-Strategie als Alternative zur Geschlechterquote einwirft und symbolisch die Faust macht, reagiert Hannah Helmke klar ablehnend mit folgender Begründung: „Mit Abstand zu den tradierten Strukturen und Denkmustern unserer Gesellschaft ist mein Handeln effektiver als kämpferisch ins Feld zu ziehen.“
Hannah Helmke studierte zunächst Psychologie. Beeindruckt vom Potenzial der mentalen Stärke wollte sie eigentlich Sportpsychologin werden. Doch sie ließ davon ab und setzte ein International Business Studium oben drauf. Ihren Schwerpunkt, das Wirtschaften in einer vom Klimawandel beeinflussten Welt, fand sie schließlich durch die Kombination der beiden Disziplinen. Mit noch nicht mal 30 Jahren hat sie das Unternehmen Right. Based on Science gegründet und leitet mittlerweile ein 5-köpfiges Team. Geprägt hat sie die intensive Auseinandersetzung mit dem Klimawandel und der Ressourcenausbeutung im Rahmen ihrer Abschlussarbeit. Gelernt hat sie von Menschen, die sie respektvoll Meister nennt, weil sie viel von ihnen lernen durfte. Und noch eine besondere Erfahrung prägte sie und ihren bisherigen Weg durchs Leben: das Aufeinandertreffen von Verbündeten und Gleichgesinnten. Auf einer Veranstaltung der Heinrich-Böll-Stiftung nahm Hannah Helmke als Erkenntnis mit, dass zur Erreichung des 2 Grad-Ziels nur noch ein Viertel der am Markt zur Verfügung stehenden fossilen Energieträger gehandelt werden dürfte und fand großen Zuspruch für die These, dass unter diesem Umstand sämtliche emissionsintensiven Geschäftsmodelle völlig überbewertet seien. Sie wollte es anders machen und tut es auch wirklich. Sie lebt und arbeitet achtsam und mit Respekt ihrer Umwelt und ihren Mitmenschen gegenüber. Statt Unternehmen, die Mitarbeiter und natürliche Ressourcen über ihre Grenzen hinaus ausbeuten, den Mittelfinger zu zeigen, zeigt sie lieber Lösungsmöglichkeiten zur Dekarbonisierung ihres Geschäftsmodells auf. Dabei verfolgt sie den Ansatz der „Wissenschaftsbasierten Emissionsziele“ um das 2 Grad-Ziel zu erreichen und nachhaltig zu wirtschaften. Gesamtwirtschaftlich betrachtet generiert ihr Unternehmen Informationen, die der Markt braucht, um Kapital unter Berücksichtigung von klimabezogenen Chancen und Risiken kosteneffektiv zu allokieren.
Zusammenfassend kann ich sagen, dass wir einen lebendigen und sehr interessanten Abend zum Thema Sichtbarkeit von Frauen in männerdominierten Branchen bei den BET hatten. Aus dem regen Austausch und der offenen Diskussion nehme ich Folgendes mit: Was zählt, sind die innere Haltung, gesundes Selbstbewusstsein, strategisches Kalkül und Mentoren als Begleiter und Ratgeber auf dem Berufsweg.
Unser nächstes Netzwerktreffen zu „Frauen der neuen Energiewelt“ findet bereits am 1. Juni auf der Intersolar Europe 2017 statt. Sie sind herzlich dazu eingeladen, neue Kontakte zu knüpfen und bestehende auszubauen. Hören Sie die Elevator Pitches der Energiefrauen und lernen Sie sie kennen. Stellen Sie sich gerne auch selbst vor. Senden Sie Ihre Botschaft an die Frauen der Energiewirtschaft.
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